Starker und ständiger Harndrang, unkontrollierter Urinverlust und schlaflose Nächte – die Reizblase bzw. überaktive Blase ist eine Belastung für viele und auch ein Tabuthema. Es lohnt sich aber darüber zu sprechen, denn bereits eine Veränderung einiger Lebensgewohnheiten kann Abhilfe schaffen. Lesen Sie in unserem Beitrag wie Sie gegen Reizblase / Blasenschwäche vorgehen können.

Laut einer europäischen Studie würden 16% aller 40-jährigen Männer und Frauen an Reizblase (überaktive Blase oder auch als OAB bekannt) leiden. 60% davon suchen ärztlichen Rat, wohingegen nur 27% davon medikamentöse Therapie bekämen.

Die Erkrankung kann dabei die Lebensqualität stark beeinflussen – ob im Job oder im Privatleben. Man zieht sich aus dem Freundeskreis zurück, weil man geplante Wanderausflüge nicht mehr durchführen kann. Viel zu stressig ist so ein Ausflug, bei dem jede Bewegung die Blase belastet und bei dem man nicht weiss, ob man es rechtzeitig auf die Toilette schafft. Und was ist, wenn die Freunde den Harnverlust bemerken? Der Leidensdruck und die enorme Belastung können für uns zum Problem werden. Marlies von Siebenthal – Fachfrau für Blasen- und Intimbeschwerden am Blasen- und Beckenbodenzentrum Kantonsspital Frauenfeld bestätigt es.

Was ist eine Reizblase bzw. überaktive Blase (OAB)?

Marlies von Siebenthal beschreibt Reizblase als „eine kleine, nervöse Blase“, wobei unsere Blase trotz geringer Urinfüllung Harndrang meldet – meist plötzlich und sehr dringend. Die Gründe für eine Reizblase sind dabei sehr vielfältig:

  • Über Jahre hinweg zu wenig trinken
  • Dünne Schleimhäute bei Hormonmangel in der Menopause, aber auch bei einigen hormonellen Verhütungsmethoden
  • Chronische Entzündungen der Scheide, Harnröhre oder Blase
  • Nervosität, Stress oder psychische Belastungen

Die genaue Ursache für die Entstehung der Reizblase ist unbekannt: Meist ist es aber ein schleichender Prozess, bei dem viele unbewusste Handlungen zu einer Reizblase führen können. Automatisch fängt man dann an, weniger zu trinken und denkt dabei, dass man dann weniger Harndrang verspürt. Doch das ist falsch! Durch Wasserentzug wird der Drang noch stärker, unser Urin schärfer, die Blase fängt an zu schmerzen, zieht sich unkontrolliert zusammen, wird kleiner bis hin zum Urinverlust.

Was versteht man unter Belastungs- und Dranginkontinenz?

Stellen Sie sich unsere Blase als einen verschliessbaren Wasserbeutel vor. Ist der Verschluss schwach, so genügt ein leichter Stoss und das Wasser leert sich aus. So ist es auch mit unserer Blase: Ist der Blasenmuskel geschwächt, reichen bereits ein Hustenstoss, eine rasche körperliche Bewegung oder ein Lachen aus und die Blase entleert sich. Das wird in Fachkreisen Belastungsinkontinenz genannt.

Bei der Dranginkontinenz zieht sich der Blasenmuskel hingegen unter heftigem Drang zusammen, die Blase drückt den Verschluss auf und man verliert unkontrolliert Urin. Das passiert oft z.B. beim Schlüsselsuchen vor der Haustür, beim Kontakt mit Wasser oder kurz bevor man die Toilette erreicht.

Oft leiden aber Patienten an einer Mischform und haben sowohl einen schwachen Verschluss als auch eine kleine, überaktive Blase.

Ursachen für die Belastungsinkontinenz

Die Ursachen sind vor allem auf eine Störung des Verschlusssystems, also auf die Schliessmuskel- und Beckenbodenschwäche, zurückzuführen. Durch Hormonmangel, Schwangerschaften, Geburten, chronischen Husten oder Verstopfung oder aber durch natürliche Alterung des Gewebes kommt es zu einer Bindegewebs- und Muskelschwäche, die als Folge zur Blasensenkungen und zur Inkontinenz führen können.

Ursachen für die Dranginkontinenz

Hier sind die Gründe auf Reizungs- und Entzündungszustände zurückzuführen. Diese können aus folgenden Gründen entstehen:

  • Wenn man jahrelang zu wenig trinkt
  • Oft wird die Blase zu früh entleert
  • Man trinkt zu viele Reizgetränke (z.B. Kaffee, Alkohol, Schwarztee und Früchtetee, Zitrusfrüchte)

Aber auch immer wiederkehrende Harnröhren- und Blasenentzündungen, Hormonmangel, Scheidenentzündungen, neurologische Erkrankungen, Organsenkungen können eine Ursache für Dranginkontinenz sein.

Behandlung von Inkontinenz

Inkontinenz im Erwachsenenalter ist ein Tabuthema. Dies muss aber nicht sein. Eine Blasenschwäche lässt sich heutzutage sehr gut behandeln. Oft denkt man dabei an ein intensives Beckenbodentraining. Doch das ist nicht in jedem Fall hilfreich. Während Beckenbodentraining beim defekten Verschlusssystem (z.B. bei einer Belastungsinkontinenz) sehr gut helfen kann, kann es die Drangblase noch nervöser machen und die Symptome sogar verschlimmern. Deswegen wird bei der Behandlung eine auf die Ursachen abgestimmte Therapie gewählt.

Das Beckenbodentraining wird bei der Dranginkontinenz nicht nur auf die Kräftigung, sondern auch auf die Entspannung und Wahrnehmung ausgerichtet, um Erfolge zu erzielen. Die Therapie besteht aus verschiedenen Behandlungsbausteinen, z.B. aus Trink- und Blasentraining, Beckenbodentraining, aber auch medikamentöse Behandlung gehört dazu. Und auch das Zuhören trägt enorm zur Besserung bei. Denn mit einer Fachperson über die Blasenschwäche zu sprechen und ernst genommen zu werden ist ein grosser Beitrag zum positiven Behandlungsverlauf.

Ziel einer jeden Behandlung ist es, wieder für mehr Lebensqualität zu sorgen. Damit Ihnen ein Wanderausflug oder gesellige Runden mit Freunden keine schlaflosen Nächte mehr bereiten und nicht zur sozialen Isolation führen.

Täglich viel Wasser trinken hilft auch bei Blasenschwäche.

Tipps im Umgang mit einer Blasenschwäche

Blasenschwäche muss nicht schicksalhaft hingenommen werden. Neben dem Beckenbodentraining gibt es verschiedene andere Mittel und Massnahmen, die ein besseres Leben ermöglichen:

  • Sprechen Sie frühzeitig mit einer Fachperson darüber – Sie sind nicht allein!
  • Trinken Sie 1,8 bis 2,5 Liter Wasser am Tag.
  • Meiden Sie Reizgetränke wie Alkohol, Cola, Kaffee, Schwarz- und Früchtetee, Zitrusfrüchte.
  • Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung.
  • Bei Männern mittleren Alters unterstützen Kürbiskerne die Prostata- und Blasenfunktion.
  • Reduzieren Sie allfälligen Nikotinkonsum.
  • Work-Life-Balance sowie viel Bewegung können sehr hilfreich sein.
  • Um Entzündungen vorzubeugen nutzen Sie schonende Intimpflege.
  • Behandeln Sie bestehenden Hormonmangel.
  • Nutzen Sie Hilfsmittel für ein kontrolliertes Wahrnehmen und Kräftigen Ihres Beckenbodens.
  • Vorbeugendes Beckenbodentraining hilft in jeder Situation.

Sollten die Massnahmen keine zufriedenstellende Besserung bringen, sprechen Sie mit einer Fachperson darüber. Wir wünschen Ihnen alles Gute!

 

Quellen:
Vista Magazin
tena.ch
gesundheit.de